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Mnemotechniken im Unterricht für Deutsch als Zweitsprache

Historischer Abriss – Grundprinzipien – Praxisbezug

Peter Heinrich, M.A., StR.

Das nachfolgende Paper wurde im Rahmen meines Workshops anlässlich des staatlichen Kongresses öffentlicher Sprachenschulen an der Escuela Oficial de Idiomas de Valencia verfasst und in dem entsprechenden Sammelband veröffentlicht (Propuestas pedagógicas, creativas y científicas para la enseñanza de idiomas. Actas del X Congreso Estal de EEOOII_2012_Valencia, S. 144 – 153, ISBN: 978-84-482-6255-6).

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Die Escuela Oficiales de Idiomas

Kurz vor Beginn des Workshops

Die Veranstaltungsplakate

Präsention von Quasiwörtern

Zur Rolle des Gedächtnisses beim Sprachenlernen

Die Tradition der Gedächtniskunst bzw. Mnemotechniken reicht bis in die griechische Antike zurück. Im Laufe ihrer Existenz dem Untergang nahe, weiterentwickelt und oft genug auch als ominöse Scharlatanerie verbrämt, hat sie heute als Form kognitiver Strategien wissenschaftliche Legitimation gefunden. Ihre Methoden richten sich erklärtermaßen auf deklarative Gedächtnisinhalte, das bedeutet, sie wird dort wirksam, wo kognitive Analysen und somit eigentliches Verstehen nicht möglich ist. Deklarative Wissensinhalte sind vielmehr die Grundvoraussetzung für die darauf folgende kognitive Verarbeitung, so auch beim Spracherwerb.

Nach dem derzeitigen Forschungsstand gilt als gesichert, dass allgemeine Gesetzmäßigkeiten des Spracherwerbs gleichermaßen für die Erst- (L1) und die Zweitsprache (L2) gelten. Dies bedeutet, dass unabhängig vom grammatischen Input der Spracherwerb nach einer überindividuell festgelegten Abfolge erfolgt, die bestenfalls in individuell unterschiedlichen Geschwindigkeiten durchlaufen werden kann. Der Weg an sich scheint allerdings durch eine allgemeine kognitive Grundstruktur vorgegeben zu sein. “ [1] Unter anderen haben Erika Diehl sowie Manfred Pienemann Stufenmodelle der Erwerbssequenzen erarbeitet. Hier die Zusammenfassung der Hierarchy of processing procedures von Manfred Pienemann [2]:

  • Subordinate clause procedure
  • S-procedure; inter-phrasal morphemes; exchange of information between internal constituents
  • Simplified S-procedure; exchange of information from internal to salient constituent;
  • Phrasal procedures; lexical morphemes; no exchange of information – canonical word order;
  • Lemma access; words; no sequence of constituents.

Aus dieser Erkenntnis, dass deklaratives Wissens, etwa in Form eines Wortschatzes, die Grundlage jeglichen weiteren Spracherwerbs bildet, leitet Ulrike Multhaup einen erhöhten Stellenwert  zum Beispiel des Vokabellernens ab. Es sei sinnlos, das Vokabellernen auf ein Minimum zu reduzieren, um dadurch Zeit für weitere Grammatikübungen zu gewinnen, denn ohne vorhandenes lexikalisches Wissen sei es um so schwieriger, konzeptuell gefasste Absichten in sprachliche Form zu bringen. [3] Aus der Tatsache, dass die schnellstmögliche Aneignung eines mentalen Lexikons sich als unentbehrliche Grundlage beim Fremdsprachenerwerb erwiesen hat, ergibt sich unweigerlich die Frage nach dem „Wie?“ der Aneignung von deklarativem Wissen und somit nach möglicher Beeinflussung der Gedächtnisleistung. Diese Frage scheint jedoch eine Grenze der psycholinguistischen Forschung zu bilden. Linguistik, Sprachdidaktik und Psycholinguistik überlassen das Aneignen von basalem lexikalischem Wissen den Lernenden selbst. Dies zeigt sich insbesondere dort, wo unter der Überschrift »Ein schlechtes Gedächtnis?« das »Auswendiglernen« explizit als »eine anerkannte und bewährte Methode beim Fremdsprachenlernen« deklariert wird. [4] Für jemanden, der sich schnellstmöglich neues Vokabular in einer fremden Sprache aneignen möchte, dürfte dieses Auswendiglernen ein leerer Begriff sein, der keine neue Erkenntnis in sich birgt.

Dabei ist es keineswegs so, dass die Sprachdidaktik kein Interesse an Lernmethoden zeigen würde. Schlagworte wie Lerntechniken, Lernstrategien, Lernmethoden, Methodenvielfalt und dgl. sind beliebte Begriffe in der einschlägigen Literatur.
 Möglichkeiten mentaler Strategien des Auswendiglernens werden allerdings nicht ernsthaft aufgezeigt.

Joseph Rohrer trifft beim Auswendiglernen die Unterscheidung zwischen kognitiver und nichtkognitiver Weise. [5] Unter kognitiv versteht er Lernmethoden wie »begriffliches Erfassen von Bezügen innerhalb und zwischen Sachverhalten, Klassifizieren, Hierarchisieren, Regelbildung und sinnhaftes Assoziieren«. [6] Hiermit ist ein Umfeld beschrieben, das sich in modernen Lehrwerken bereits etabliert hat. Die Differenzierung in kognitives und nichtkognitives Auswendiglernen ist sinnvoll, wenn für beide Bereiche unterschiedliche methodische Zugangsweisen bereitstehen. Insofern ist es für die heutige Didaktik bezeichnend, lediglich vom Auswendiglernenzu sprechen, denn seit der kognitiven Wende gibt es für solche nichtkognitiven Probleme offiziell keine Methode mehr. Die einstigen Pattern-Drills sind aus dem Unterricht verbannt, obgleich sie in Form von mechanischem Wiederholen in Karteikartensystemen oder Vokabelheften auch heute noch ihre Legitimation haben. Die Kritik gegen Pattern-Drills lautet, dass sie ohne semantisches Verstehen ablaufen würden, wogegen Rohrer richtig einwendet, dass das Eindrillen nicht sinnhafter Assoziationen mit semantischem Verstehen überhaupt nichts zu tun habe. [7] Insbesondere beim Fremdsprachenlernen sei nichtkognitives Auswendiglernen unvermeidbar,

»und zwar dort, wo es um die Aneignung von Automatismen geht: Aussprache, grammatische Formatoren (z.B. Deklinations- und Konjugationsformen), Kollokationen. Dieser Aspekt des Fremdsprachenlernens wird heute als um so lästiger empfunden, als die Kulturtechnik des nichtkognitiven Auswendiglernens immer mehr verschwindet. Nicht nur wird dieser Aspekt von Lernenden verständlicherweise als lästig empfunden, er wird auch von der Fremdsprachendidaktik heute häufig global verunglimpft („Papageienlernen“, „Behaviorismus“) oder einfach ignoriert.« [8]

Obgleich Rohrer sich für eine Rehabilitation von Pattern-Drills stark macht, umfasst der von ihm erwähnte Begriff der Kulturtechnik des nichtkognitiven Auswendiglernens weit mehr als dies. Rohrer bezieht sich explizit auf die teilweise uralte Tradition von Gedächtnistechniken (Mnemotechniken), die im  Zuge der Entwicklung externer Gedächtnisspeicher aus der Mode gekommen sind und schlägt somit eine wichtige Brücke zur Kognitionspsychologie.[9] Mit dem Begriff Gedächtnis- bzw. Mnemotechniken ist das wichtige Schlagwort geliefert, da derartige Techniken wertvolle Hilfen bei solchen Lernproblemen bereitstellen können, die bisher unter die Kategorie Auswendiglernen gefallen sind. Rohrer nimmt als erster das in der Kognitionspsychologie neu aufkommende Interesse an Mnemotechniken in den Blick und zieht deren Anwendung für die Sprachdidaktik in Erwägung. Rohrer nennt bereits alle kognitionspsychologischen Grundbegriffe, die erst in wenigen neueren Arbeiten in weiterentwickelten Anwendungen von der Sprachdidaktik aufgegriffen wurden. Als solche treten das »Paarassoziationslernen« [10], und die Anwendung von »Gedächtnisbildern« [11] aus der neu aufkommenden Mentalimagery–Forschung hervor.

Als Fazit können wir die Unterscheidung treffen zwischen prinzipiell nichtkognitiven Aufgaben des Auswendiglernens, insofern zwischen den Lernelementen keine für den Lerner plausible assoziative Verbindung besteht, und kognitiven Strategien zur Bewältigung solcher Aufgaben, insofern kreativ-assoziative Verbindungen künstlich hergestellt werden. Wir nennen diese Strategien Mnemotechniken.

Kurzer historischer Abriss

Der Dichter Simonides (556-468) soll laut Ciceros Schrift De Oratore (um 55 v. Chr.) der unfreiwillige „Erfinder“ der antiken Mnemotechnik (abgeleitet von Mnemosyne, der griechischen Göttin für das Gedächtnis und »Mutter der Musen« [12]) gewesen sein. Nach dem unglücklichen Ausgang eines Gastmahls bei Skopas von Thessalien sei er der einzige Überlebende gewesen, da er sich beim Einsturz des Festsaals nicht in dem Gebäude befunden habe. Laut Ciceros Angaben sei es ihm möglich gewesen, die bis zur Unkenntlichkeit zugerichteten Leichen aufgrund ihrer Sitzordnung zu identifizieren, an die Simonides sich noch erinnern konnte. Aus dieser Erfahrung habe dieser das Prinzip der Mnemotechnik entdeckt, sich mentale Bilder von Gedächtnisinhalten zu kreieren und diese in der Vorstellung an bestimmten Örtern (Begriff nach Kuhn, S. 9.) zu platzieren. Hierdurch sei die so genannte Loci-Methode entstanden (Vgl. Kuhn [12], Sperber [13])

Seither hat sich eine mnemotechnische Tradition entwickelt, die – wenn auch zeitweise am seidenen Faden – sich bis in die heutige Zeit erhalten hat. Es sind drei lateinische Quellen überliefert, die die Mnemotechnik in ausgereifter Form als Grundbestandteil in die Rhetorik einbinden, wo in den klassischen fünf Stadien einer Rede die memoria als Gedächtniskunst zum Einprägen der Rede der pronuntiation, der Kunst des Vortrags, vorangestellt wurde. [14]

Die so genannte Herennius-Rhetorik ist ein ca. 86-82 v. Chr. anonym verfasstes Lehrbuch für Studenten, die mit ihrem eigentlichen Titel Auctor ad Herennium  Herennius gewidmet ist. [15] Es bezieht sich als einziges noch direkt auf die griechischen Quellen, die später alle verloren gegangen und nur über dieses Werk überliefert worden sind. Des Weiteren ist die Herennius-Rhetorik die einzige Schrift, die nicht bereits eine Vertrautheit mit Mnemotechniken voraussetzt. Ciceros De Oratore wurde oben bereits genannt. Diese Schrift beschreibt die bekannten Verfahren der Mnemotechnik und führt zum Beweis für deren Wirksamkeit zur Erweiterung des natürlichen Gedächtnisses die Beispiele berühmter Gedächtniskünstler an. Zuletzt bleibt noch Quintilians Institutio Oratoria zu erwähnen, die mehr als ein Jahrhundert nach Ciceros De Oratore erschienen ist. Alle drei Autoren stimmen darin überein, dass das System der Mnemotechniken funktioniert – Grund genug, einen etwas genaueren Blick auf diese Techniken zu werfen und nach einem möglichen Nutzen auch in der Moderne (einer Zeit des Überflusses an externen Gedächtnisspeichern in Form von Papier und Mikrocomputern) zu fragen, etwa zum Deutschlernen.


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Loci und imagines

Simonides´ makabre Entdeckung des Loci-Systems wurde oben bereits erwähnt. Cicero führt in De Oratore etwas genauer aus, dass, wer sein Gedächtnis trainieren will, sich »geistige Bilder herstellen und sie an die bewussten Orte heften« [17] solle, die man zuvor ausgewählt hat. Hier sind zwei wichtige Komponenten enthalten, die die absolute Grundlage für jeden Gedächtniskünstler darstellen: Orte (loci) und Bilder (imagines). Das Konzept der Orte bildet die grundlegende Ordnungsstruktur, an der sich der oder die Übende orientieren kann, ohne den Überblick über die entsprechenden Gedächtnisinhalte zu verlieren. Cicero vergleicht die Orte mit Wachs, auf das die Informationen gerade so wie Buchstaben mit Bildern notiert würden. [18] Grundsätzlich besteht die konkrete Aufgabe darin, bekannte Orte fest im Gedächtnis zu verankern. Dies können zum Beispiel Gebäude sein, deren einzelne Zimmer dann in Gedanken immer in derselben Abfolge durchwandert werden. Auch Straßenzüge oder ganze Stadtteile können als mnemotechnische Orte dienen. [19] Erst durch die imagines wird allerdings die zu erinnernde Information mit den entsprechenden Orten in dem System verknüpft. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Gesichtssinn der am stärksten ausgeprägte ist, visuelle Informationen also am besten in der Vorstellung haften bleiben, wie Cicero bereits ausführte:

»Wir können uns dasjenige am deutlichsten vorstellen, was sich uns durch die Wahrnehmung unserer Sinne mitgeteilt und eingeprägt hat; der schärfste von all unseren Sinnen ist aber der Gesichtssinn. Deshalb kann man etwas am leichtesten behalten, wenn das, was man durch das Gehör oder durch Überlegung aufnimmt, auch noch durch die Vermittlung der Augen ins Bewusstsein dringt.« [20]

 

Während das Loci-System lediglich ein strukturelles und im Grunde unveränderliches Ordnungssystem darstellt, sind die imagines die eigentlichen Informationsträger. Durch sie werden die Informationen dekodiert und in das Loci-System eingefügt. Dekodieren meint hier die konkrete Visualisierung des sprachlichen Codes. Bereits hier drängen sich einem skeptischen Verstand erste Fragen zu Wirksamkeit und Grenzen von Mnemotechniken auf. Da sie sich explizit auf den Gesichtssinn berufen, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Bildhaftigkeit, Konkretheit und Bedeutungshaltigkeit von Wörtern [21] beziehungsweise Informationen im allgemeinen. Tatsächlich beschreibt schon Quintilian ausführlich die Dekodierung nicht eindeutig besetzter Themengebiete wie Kriegswesen und Seefahrt. »Das was geschrieben oder in Gedanken ausgearbeitet wurde«, sei in einen Begriff zusammenzufassen und dieser mit einem Merkmal zu kennzeichnen, »das zur Anregung des Gedächtnisses dienen soll, sei es ein Bild aus der ganzen „Sache“, z.B. der Seefahrt oder dem Kriegswesen, oder von irgendeinem „Wort“; denn entfällt uns ein Gedanke, so lässt er sich schon durch den Anstoß, den ein einziges Wort bietet, wieder ins Gedächtnis bringen. Ein Merkmal für die Seefahrt mag etwa ein Anker sein, eines für das Kriegswesen ein Bestandteil der Bewaffnung.« [22]

Wollte ein Redner also an einer bestimmten Stelle in seiner Rede zum Beispiel über die Seefahrt sprechen, so positionierte er einfach mental an der entsprechenden Stelle in seinem Loci-System etwa einen Anker, der ihn an das Thema Seefahrt erinnerte.

Yates weist darauf hin, dass die Mnemotechnik mit loci und imagines rational fundiert und für jeden einleuchtend sei, da sie der Alltagserfahrung entspreche. Bereits Quintilian stütze sich auf die Tatsache, dass Orte Assoziationen auslösen. [23] Die Gedächtnisleistungen, die Cicero und anderen großen Gedächtniskünstlern nachgesagt werden, erscheinen einem heutigen Leser geradezu absurd, doch lassen sie gleichzeitig erahnen, welch enormes Potential sich daraus für das Lernen von Sprachen nutzen ließe. So soll Mithridates, König von Pontus, jeden seiner 80.000 Soldaten beim Namen genannt haben, und von Seneca wird gesagt, er habe 2.000 Worte in der Ordnung, in der sie ihm gesagt worden waren, rezitiert. [24] Welcher Nutzen lässt sich daraus also für das Erlernen einer Fremdsprache ziehen?

Gedächtniskunst und Fremdsprachenunterricht

Explizit und als systematische Anleitung zum Erlernen von Fremdsprachen werden Mnemotechniken erstmals von Johannes Buno in seiner 1651 erschienenen Lateinische[n] Grammatica eingesetzt. [25] Inspiriert von Andrea Guarnas (ca. 1470-1517) Bellum Grammaticale, in der die lateinische Grammatik in Geschichtenform erzählt wird, erweitert er die Geschichten um zahlreiche grammatische Phänomene und verbindet sie überdies mit mnemonischen Bildern. Diese neuartige bildmnemonische Grammatik in Erzählform umfasst 244 Seiten und scheint von bestechendem Erfolg geprägt gewesen zu sein. Innerhalb von zwei Monaten sollen seine Schüler mit »Lust/Liebe und Frewdigkeit« neben theoretischen Kenntnissen auch noch 2000 lateinische Vokabeln gelernt haben. [26]

Bunos Lateinische Grammatik ist nicht nur wegen ihrer durchweg mit Merkhilfen versehenen Darstellungsform erwähnenswert. Sie bedient sich überdies eines echten Meilensteins in der Tradition der Gedächtniskunst. Die Rede ist von dem so genannten hieroglyphischen Verfahren der Verbildlichung, das eine Neuentwicklung der Bildmnemoniker des 17. Jahrhunderts war. [27] Gemeint ist ein Verfahren zur Verbildlichung über die phonetische Analogie eines Wortes im Gegensatz zu einem rein semantischen Bezug, der beim emblematischen [28] Verfahren angewandt wird. Bei letzterem findet die Verbildlichung des entsprechenden Begriffs über dessen Bedeutung statt. Das Wort Tisch wird zum Beispiel einfach durch seinen Referenten verbildlicht. Anders beim hieroglyphischen Verfahren. Hier wird der Begriff nicht über seinen Referenten, sondern über bloße phonetische Ähnlichkeit dargestellt. Der Begriff Dilemma wird zum Beispiel von einem Bildmnemoniker durch ein Gatter voller Lämmer (die Lämmer) verbildlicht, weil die Lämmer eine phonetische Ähnlichkeit zu dem zu lernenden Begriff Dilemma aufweist. Ein Begriff kann auch Silbenweise durch mehrere Vertreter hieroglyphisch umgesetzt werden, wobei sogar noch Lücken durch einzelne Buchstaben ergänzt werden können. Die Bildkombination Eule (lat. Uhl), I, Ochse (lat. Os) kann einem Eingeweihten zum Beispiel helfen, sich an den Vornamen [Uhlios] = Julius (Cäsar) zu erinnern. [29] Mit diesem Verfahren wurde ein wichtiger Schritt in der Visualisierung von Gedächtnisinhalten getan. Die Vorteile liegen auf der Hand. Erstmals wurde es nun auch möglich, Abstrakta darzustellen und somit leicht einprägbar zu machen. Hier wurde bereits der Grundstein gelegt für eine weitere Technik, die zuerst 1843 von dem Dänen Carl Otto Reventlow unter dem Begriff phonetisch-analogische Substitution für Furore sorgte und 1975 von dem Psychologen Richard Atkinson unter dem Begriff keyword method erstmals wissenschaftlich erforscht wurde. [30]

Carl Otto Reventlow gilt als letzte Ikone unter den Gedächtniskünstlern. Sein bereits erwähntes 1843 erschienenes Lehrbuch der Mnemotechnik löste eine regelrechte Euphorie aus. Eduard Maria Oettinger widmete ihm 1845 eine enthusiastische Lobrede und verglich ihn unter anderem mit Homer, Galilei und Beethoven. [31] Reventlow habe als erster »die Gedächtniskunst zu einer systematischen Wissenschaft erhoben« [32].

Das Lehrbuch der Mnemotechnik (1843) und das Praktische Lehrbuch der Mnemotechnik (1847) sind in vielerlei Hinsicht richtungsweisend und geradezu revolutionär für die praktische Anwendung von Mnemotechniken.  Als Gedächtnislehrer durch Deutschland ziehend, gab er als Teil seiner Überzeugungsarbeit überaus beeindruckende Kostproben von der Wirksamkeit seines Systems:

 

»Mehrere hundert Tafeln, welche ungefähr 20,000 Notizen aus fast allen Gebieten des menschlichen Wissens enthalten, lasse ich unter die Zuhörer vertheilen und antworte auf jede Frage, die aus diesen Tafeln an mich gerichtet wird.« [33]

 

Dies ist nur ein Beispiel von Reventlows zahlreichen Versuchen, die Skeptiker vor unumstößliche Tatsachen des künstlichen Gedächtnisses zu stellen. Leider kann an dieser Stelle nicht umfassend auf alle Eigentümlichkeiten dieses neuen Systems eingegangen werden. Es muss genügen, sich auf die den Fremdsprachenunterricht betreffende Neuerung zu beschränken. Reventlow knüpft mit seinen phonisch-analogen Substitutionen im wesentlichen an die bereits von den früheren Bildmnemonikern ins Leben gerufene hieroglyphische Methode der Bildgewinnung an. Neu ist allerdings, dass Reventlow nicht mit mnemonischen, sondern mit mentalen Bildern arbeitet. Alle gedächtnisstützenden Prozesse finden also individuell im Denken des Subjekts statt. Zudem ist es durch seine Methode nicht mehr nötig, dass die zu lernende Information bereits einen Begriff darstellen muss. Vielmehr ist es ihm gerade darum zu tun, bedeutungslose Namen durch die phonetisch-analoge Substitution in gehaltvolle Begriffe zu verwandeln, um sie so als sinnvolle Elemente besser für das Gedächtnis aufbereiten zu können.

Reventlow hat bereits erkannt, dass eine neue Information dann am besten gelernt werden kann, wenn sie »begriffen« und »in Einklang mit unseren individuellen Ansichten gebracht« [34] werden kann. Neu zu lernende Vokabeln werden zunächst beispielsweise bloß als zusammenhängende Laute ohne Bedeutung wahrgenommen und sind deshalb schwierig zu lernen. Zum besseren Verständnis führe ich ein Beispiel an, in dem L1 Deutsch und L2 Spanisch ist: Das spanische Verb für ausgehen lautet salir. Zwischen dem Verb ausgehen und dem fremden Wort salir besteht kein Anknüpfungspunkt bzw. tertium comparationis, das zur sinnvollen Vermittlung und somit zur Erinnerung dienen könnte. Deshalb gilt es alle so genannten Nichtbegriffe in Begriffe zu verwandeln. Substituiert man demnach das zunächst nichts sagende salir durch Salz, so kann leicht eine Anknüpfung zu dem Verb ausgehenkonstruiert werden. Man könnte sich etwa vorstellen, immer eine Handvoll Salz zu essen, wenn man ausgeht. Reventlow macht sich dabei die Tatsache zunutze, dass oftmals eine einzige Silbe genügt, um sich an das ganze Wort zu erinnern. Eben dies ist in dem vorliegenden Beispiel gegeben, wenn sich jemand an den Begriff Salzerinnern kann. Zur Substitution können sowohl die phonetische (Aussprache) als auch die orthographische Dimension (Schreibweise) dienen. Wichtig ist lediglich, dass die semantische Ebene des zu lernenden Wortes bei der Substitution keine Rolle spielen muss.

Der Psychologe Richard C. Atkinson hat 1975 die Methode der phonisch-analogischen Substitution unter dem neuen Begriff keyword method, zu Deutsch auch Schlüsselwortmethode [35], erstmals wissenschaftlich untersucht und äußerst viel versprechende Ergebnisse erhalten: »[I]n fact, each day the keyword group learned more words in two study trials than the control group did in three trials« [36].

Im Unterricht zu beachtende Grundprinzipien

Wegweisend für den Einsatz von Mnemotechniken im Deutschunterricht war die 1989 erschienene Dissertation Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb von Dr. Horst Sperber [37]. In Kooperation mit dem Goethe-Institut erlangte die Arbeit große Aufmerksamkeit. Sperber führte über viele Jahre Fortbildungen an Goethe-Instituten und anderen Sprachenschulen durch. Einige seiner teils selbst entwickelten Lerntechniken, hauptsächlich für die Genuszuordnung, wurden auch von Lehrbuchverlagen aufgenommen, allerdings in sehr stark verkürzter Form, so zum Beispiel in Eurolingua Deutsch 1 vom Cornelsen Verlag zu Beginn der 2000er. Der Verfasser dieses Papers unterrichtete damals mit diesem Lehrwerk Deutsch als Zweitsprache an der Hartnackschule Berlin. Weder das Kollegium noch die Lernenden wussten die in Eurolingua Deutsch 1präsentierten „Lerntipps“ gewinnbringend zu verwerten. Erst durch die parallele Auseinandersetzung mit den Grundlagen von Mnemotechniken erschließen sich Sinn und Zweck der Darstellungen.

Wie bereits deutlich wurde, erfordert die künstliche Herstellung kreativ-assoziativer Verbindungen bei nichtkognitiven Lernaufgaben wichtige mentale Strategien. Das Paarassoziationslernen, bei dem im Gedächtnis zwei Items miteinander verknüpft werden müssen, bildet dabei die Grundlage wichtiger nichtkognitiver Lernaufgaben im Deutschunterricht. Je nach konkretem Anwendungsbereich lässt sich dabei mithilfe von Mnemotechniken die Behaltensleistung beträchtlich steigern. Dabei hängt die erfolgreiche Anwendung im Deutschunterricht von der Bewältigung dreier Hürden ab, welche m. E. nur mithilfe eines Lerncoaches genommen werden können. Diese drei Hürden sind erstens Kreativitätstechniken als Grundlage für hieroglyphische Verbildlichungen, zweitens ein Verständnis des Umweges über semantisch irrelevante künstliche Verknüpfungen, und drittens die Verknüpfung der beiden zu lernenden Items mittels des Prinzips der Interaktion. Nachfolgend seien diese drei wichtigen Voraussetzungen kurz erläutert:

 

Kreativitätstechniken – vom abstrakten, deklarativen Inhalt zum verständlichen Bild

Johannes Bunos wichtige Errungenschaft der hieroglyphischen Verbildlichung ist elementar für eine relevante Verbesserung der Behaltensleistung deklarativer Inhalte des Deutschunterrichts. In Bezug auf das Vokabellernen wurde bereits Bunos Kreativitätstechnik der Bildgewinnung aufgrund phonetischer Analogie vorgestellt. In der ersten Silbe des Namens Julius (Caesar), also Jul sah Buno eine phonetische Verwandtschaft zu dem lateinischen Uhl (zu Deutsch Eule). Während die Silbe Jul ein bloß abstraktes Phonem ohne semantischen Gehalt darstellt, ist das deutsche Substantiv Eule nicht nur verständlich, sondern es besitzt auch einen hohen Grad an Bildhaftigkeit, wodurch dieses Wort erheblich besser als sinnhafter Gedächtnisinhalt abgespeichert werden kann. Während diese Kreativitätsmethode hervorragend für das Vokabellernen geeignet ist, erfordern andere Phänomene der deutschen Grammatik andere Methoden zur Herstellung von Bildhaftigkeit. Als Beispiel seien das weitverbreitete Problem der Genuszuordnung sowie die Verbvalenz innerhalb der Satzstruktur angeführt.

Im Deutschen erfolgt die Genus- und Kasusanzeige von Substantiven analytisch, indem jedem Substantiv eines der Artikelwörter der, die oder das zugeordnet wird. Für Lernende sind diese drei Artikelwörter nichts als abstrakte Phoneme ohne jeglichen semantischen Gehalt. Aus diesem Grund fällt das Assoziieren von Substantiv und Artikelwort traditionell sehr schwer. Sperber bezeichnet den Gebrauch des korrekten Artikels als eines der größten und frustrierendsten Probleme von Deutschlernenden, für das weder in der Forschungsliteratur noch in der Unterrichtspraxis eine zufriedenstellende Lösung angeboten werde. [38] Insbesondere dieses Problem ist jedoch mit Mnemotechniken besonders leicht zu lösen, wenn erst einmal für die drei Artikelwörter hieroglyphische Bilder gewonnen sind. Neben der phonetischen Ähnlichkeit bieten sich dabei zwei sehr gute weitere Kreativitätstechniken an.

Die erste möchte ich kategorienübergreifende Genus-Assoziation nennen. Damit ist die Bildung freier assoziativer Entsprechungen der grammatikalischen Termini maskulin (der), feminin (die) und neutrum (das) gemeint. Lernende können also ein beliebiges Bild mit maskulinen Eigenschaften assoziieren, etwa einen Mann oder etwas beliebig anderes „typisch Männliches“. Um Verwechselungen aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Mannfür der und Frau für die zu vermeiden (beide Repräsentanten sind menschlich), bietet es sich an, eines der beiden durch ein Bild einer anderen Seinskategorie zu ersetzen. In meinen eigenen „Artikelkursen“ verwende ich einen Löwen als Repräsentation des Artikels der und eine Frau für den Artikel die. Eine weitere Kreativitätstechnik wäre die Orientierung an einem Buchstaben innerhalb der Artikelwörter. Der Artikel das sollte durch ein geschlechtsneutrales Bild repräsentiert werden, das sich während des Lernprozesses wieder eindeutig dem Artikel das zuordnen lässt. Ich habe dafür das Wasser gewählt. Wasser ist somit in der Eigenschaft der geschlechtlichen Neutralität und zusätzlich durch die Übereinstimmung des Vokals im Anlaut mit dem Artikelwort das verknüpft.

Aufgrund der Fülle und Individualität der Lernprobleme innerhalb des Deutschunterrichts sollte das Ziel der Vermittlung von Mnemotechniken stets darin liegen, die grundsätzlichen Strategien und Techniken zu vermitteln, sodass Lernende in die Lage versetzt werden, eigenständig eigene Techniken für ihre je individuellen Lernprobleme zu entwickeln. Vorgegebene Visualisierungen abstrakter Inhalte sind demnach ausdrücklich als Beispiele zu verstehen, die jederzeit von den Lernenden selbst der je individuellen Lernsituation sowie der kulturellen Prägung angepasst werden können. Das grundlegende Ziel mnemonischer Kreativitätstechniken ist die möglichst intensive Visualisierung oder doch zumindest der Gewinn eines semantischen Gehalts aus abstrakten Lerninhalten.

Eine besondere Kategorie des Deutschunterrichts stellt die Ebene der Syntax dar. Die Identifizierung von Satzgliedern ist Voraussetzung für die kognitive Verarbeitung von Syntaxregeln. Gerade diese Identifizierung fällt vielen Lernenden im Unterricht schwer, da auf Textebene die Verweisungsbezüge zwischen Prädikat und Ergänzungen – wenn überhaupt – ausschließlich in Form von  nicht immer eindeutigen Kasusindikatoren vorhanden sind. Hier hat sich die farbliche Markierung der Verbvalenzen und kongruent dazu der Ergänzungen als äußerst hilfreich erwiesen. Während Farben allein keine besondere Bildhaftigkeit aufweisen, sind sie doch zur Visualisierung von Strukturen sehr gut geeignet. Der Verfasser schlägt vor, jedem Kasus eine eindeutige Farbe zuzuordnen, die Auswahl der Farben ist zunächst willkürlich, sie kann aber in ein übergeordnetes System eingebettet auch nach bestimmten Regeln erfolgen, was an dieser Stelle allerdings zu weit führen würde. Ich selbst verwende eine gelbe ovale Umrahmung zur Kennzeichnung des Prädikats. Die Ergänzungen werden jeweils eckig umrahmt, und zwar in den Farben grün für den Nominativ, blau für den Akkusativ, rot für den Dativ und braun oder orange für den Genitiv. Unter den Verben werden dann je nach Valenz entsprechend farbige Markierungen angebracht. In dem Satz „Paul schenkt Birgit ein Buch“ werden durch die farbigen Markierungen sofort die Valenz des Verbs sowie die Positionen der einzelnen Satzglieder sichtbar, wodurch den Lernenden die kognitive Verarbeitung der Syntaxregeln vereinfacht wird. Empirische Studien dazu sind nicht bekannt, jedoch zeigt sich in der Zustimmung der Lernenden zumindest auf emotionale Ebene unmittelbar ein Nutzen dieser Methode. In Kombination mit Computeranimationen, wie sie mit modernen Präsentationsprogrammen möglich sind, eröffnen sich dadurch völlig neue methodische Ansätze innerhalb der Deutschdidaktik. Ein sich noch in der Entwicklung befindliches Projekt kann unter der Adresse www.deutschwizard.de eingesehen werden.

Semantisch irrelevante künstliche Verknüpfungen

Nachdem aus einem abstrakten Lerninhalt eine semantisch-bildhaft verständliche Repräsentation gewonnen wurde, besteht der nächste Schritt in der Verknüpfung dieser Repräsentation mit dem zu assoziierenden Item. Formal stellt die Repräsentation ein tertium comparationis und somit ein drittes Item dar, welches zwar an sich einen semantischen Gehalt, jedoch keinen semantischen Bezug zu dem zu lernenden Item hat. Dieser Umstand kann zu Missverständnissen und Ungläubigkeit führen. Ist zum Beispiel das Wortpaar der Stuhl mithilfe der zuvor beschriebenen Mnemotechnik zu lernen, so muss ein mentales Gedächtnisbild kreiert werden, in dem ein Löwe(Repräsentant für den Artikel der) und ein Stuhl vorkommen. Aufgrund der Bildhaftigkeit können die beiden Begriffe Löwe und Stuhl sehr gut miteinander verknüpft werden. Durch eine solche künstlich hergestellte Assoziation erfolgt automatisch eine Erinnerung an das jeweils andere Substantiv, sobald eines abgerufen wird. Im vorliegenden Fall denken Lernende an das Substantiv Stuhl und erinnern sich sofort an den damit verknüpften Löwen und darüber an den Artikel der. Werden nun Lernende angehalten eigenständig neue Paare aus Substantiv und Artikelwort zu lernen, besteht die Gefahr, dass sie neu zu lernende Substantive mit Begriffen aus demselben Wortfeld verknüpfen, anstatt mit dem Repräsentanten für den entsprechenden Artikel. Irrtümlich würde also etwa Stuhl mit Tisch assoziiert, weil dies eine naheliegende und semantisch plausible Kombination darstellt. Mit Tisch ist jedoch keines der Artikelwörter verknüpft, der gewünschte Lernprozess kann also nicht stattfinden. Dieser „Umweg“ über das tertium comparationis muss intensiv trainiert und die Wirkungsweise erfahren werden, damit sich den Lernenden die Funktionsweise dieser Mnemotechnik sowie deren Sinnhaftigkeit erschließt.


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Das Prinzip der Interaktion

Der vielleicht wichtigste mnemotechnische Schlüssel für das erfolgreiche Bewältigen nichtkognitiver Paarassoziationsaufgaben besteht in der mentalen Verknüpfung beider Items zu einem interaktiven mentalen Bild. Das Grundproblem bestand bisher darin, dass eines der zu lernenden Items, z. B. der Artikel oder das Lautbild der zu lernenden Vokabel, zu abstrakt ist, um eine verständliche Verknüpfung zwischen beiden Items zu bilden. Durch die o. a. Kreativitätstechniken konnte ein semantisch unverwandtes tertium comparationis mit hoher Bildhaftigkeit als mnemonische Brücke gewonnen werden. Dieses tertium comparationis muss nun künstlich mit dem bereits bekannten Item verknüpft werden. Am Beispiel der Genuszuordnung ist konkret folgende Aufgabe zu bewältigen. Das den Lernenden bereits bekannte deutsche Substantiv Stuhl muss mit dem bildhaften Repräsentanten für den Artikel der, also mit einem Löwen, assoziiert werden. Im Gegensatz zum traditionellen mechanischen Wiederholen des Wortpaares LöweStuhl ist es nun notwendig, sich beide Begriffe in intensiver Interaktion miteinander vorzustellen, wir nennen es ein interaktives mentales Gedächtnisbild. Es hat sich gezeigt, dass die Behaltensleistung gesteigert werden kann, wenn das gesamte Bild sich von Alltagserfahrungen abhebt und zusätzlich mit Emotionen verbunden wird. Zwar wird ein Löwe, der auf einem Stuhl sitzt, in den meisten Fällen bereits zum Erfolg führen. Das heißt, wer an die Vokabel Stuhl denkt, wird sich unwillkürlich auch an den Löwen erinnern und somit das korrekte Artikelwort das zuordnen können. Besser wird allerdings ein etwas ausgefalleneres Bild funktionieren, etwa ein Löwe, der einen Stuhl im Maul hat und dabei den Kopf schüttelt.

Potential

Die Praxiserfahrung des Verfassers an der Hartnackschule Berlin hat gezeigt, dass eine erfolgreiche Anwendung von Mnemotechniken scheitern muss, wenn sie in einem Lehrwerk lediglich „nebenbei“ vermittelt wird. Die Vermittlung durch einen erfahrenen Coach ist elementar. Wohl aus diesem Grunde wurden die entsprechenden Hinweise zur Genuszuordnung aus dem Lehrwerk Eurolingua Deutsch 1 wieder entfernt.

Die Rolle des Coaches kann selbstverständlich von einer entsprechend geschulten Lehrkraft übernommen werden. Die Vermittlung von Mnemotechniken sollte dabei über Exkurse erfolgen, für die etwa unter dem Oberthema „Lernen lernen“ eigens Lerneinheiten eingeplant werden. Die Gestaltung der Exkurse hängt wiederum von der Fluktuation innerhalb der Lerngruppen ab. An der Hartnackschule Berlin findet in der Regel auf allen Niveaustufen in jeder Lerngruppe monatlich ein gewisser Wechsel der Teilnehmer statt. Aus diesem Grunde ist es problematisch, im regulären Deutschunterricht auf bisher vermittelten Lerntechniken aufzubauen, da den jeweils neu Hinzugekommenen die entsprechenden Voraussetzungen fehlen. Ebenso ist es in der Praxis nicht umzusetzen, dass das gesamte Kollegium eines Instituts ein entsprechendes Fortbildungsangebot wahrnimmt und eine Vermittlung von Mnemotechniken gleichermaßen unterstützt, wodurch eine gewisse Konkurrenzsituation zwischen Parallelkursen entstehen kann. Zur Lösung dieser Problematik hat sich die Einrichtung eines regelmäßig stattfindenden eintägigen Zusatzkurses, zum Beispiel mit besonderem Fokus auf die Genuszuordnung, als ausgesprochen geeignet erwiesen. Kurs- und sogar niveaustufenübergreifend können dann motivierte Lernende selbstbestimmt ihren individuellen Lernweg positiv beeinflussen.

Entsprechende Fortbildungsangebote in Mnemotechniken für Deutsch als Fremdsprache sind noch immer kaum bzw. nicht verfügbar. In der Regel muss eine solche Fortbildung autodidaktisch oder über institutsinterne Schulungen erfolgen. Die zurzeit einzige Anlaufstelle mit umfassender Materialsammlung dafür ist die Website des Verfassers www.easydaf.de bzw. www.beste-tipps-zum-deutsch-lernen.com. Dort finden sich verschiedene elektronische Materialien, die sich im Unterricht einsetzen lassen, u. a. für folgende Lernprobleme: Vokabellernen, Genuszuordnung, Verben mit Präposition, Ablaute bei , unregelmäßigen Verben, Präposition und Kaus, Subjunktionen-Cluster, Verben, die das Perfekt mit „sein“ bilden, Cluster untrennbarer Vorsilben, Adjektivdeklination, Verben mit Dativ. Das Angebot befindet sich in ständiger Weiterentwicklung, insbesondere künftig erscheinende Video-Trainings werden den Zugang sowohl für Lernende als auch für Dozent_Innen enorm vereinfachen.

Die sinnliche und sinnhafte Aufbereitung nichtkognitiver Grammatikinhalte durch mnemonische Visualisierungstechniken eröffnet je nach Kreativität der Beteiligten eine enorme Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten. Insofern ist eine verstärkte Auseinandersetzung mit Mnemotechniken für Deutsch als Fremdsprache unbedingt zu empfehlen.

[1] Erika Diehl et al., „Grammatikerwerb im Fremdsprachenunterricht – ein Widerspruch in sich?“, Grammatik und Fremdsprachenerwerb. Kognitive, psycholinguistische und erwerbstheoretische Perspektiven. (Tübingen 2002), S. 143-163.

[2] Manfred Pienemann, Language Processing and Second Language Developement. Processability Theory. Amsterdam / Philadelphia, John Benjamins, 1998 S. 87.

[3] Uwe Multhaup, „Grammatikunterricht aus psycholinguistischer und informationsverarbeitender Sicht“, Grammatik und Fremdsprachenerwerb. Kognitive, psycholinguistische und erwerbstheoretische Perspektiven. (Tübingen 2002), S. 92.

[4] Ute Rampillon, Lernen leichter machen: Deutsch als Fremdsprache, Ismaning, Max Hueber Verlag, 1999, S. 51.

[5] Josef Rohrer, Zur Rolle des Gedächtnisses beim Sprachenlernen. Bochum, Verlag Ferdinand Kamp, 1978 S. 65.

[6] Ebd. S. 65.

[7] Ebd. S. 71.

[8] Ebd. S. 66f. (Hervorhebung P. Heinrich).

[9] Josef Rohrer, Zur Rolle des Gedächtnisses beim Sprachenlernen. Bochum, Verlag Ferdinand Kamp, 1978 S. 10ff., S. 65ff.

[10] Ebd. S. 76.

[11] Ebd. S. 68, S. 79.

[12] Platon, „Theaitetos“, Gunther Eigler Plato: Werke in 8 Bänden, Bd. 6. (Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990,2), 191 d.

[13] Vgl. Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht. München, Iudicium Verlag GmbH, 1993, S. 9.,

[14] Horst Sperber, Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt „Deutsch als Fremdsprache“. Münche,  Iudicium Verlag, 1989, S. 16.

[15] Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht. München, Iudicium Verlag GmbH, 1993, S. 9 ff. Yates, 11ff.

[16] Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 11f.

[17] Cicero, De Oratore, II, lxxxvi, 351-354. Zit. n. Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 11.

[18] Cicero, De Oratore, II, lxxxviii, 360. Zit. n. Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 25.

[19] Zu einer ausführlicheren Darstellung über geeignete Vorlagen siehe Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht. München, Iudicium Verlag GmbH, 1993, S. 13f.

[20] Cicero, De Oratore, II, lxxxvi, 357. Zit. n. Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 13.

[21] Ausführliche Untersuchungen hierzu finden sich bei Ilse-Lore Baschek et al., „Bestimmung der Bildhaftigkeit (I), Konkretheit (C) und der Bedeutungshaltigkeit (m´) von 800 Substantiven“, Zeitschrift für Experimentelle und Angewandte Psychologie, 24 (1977), S. 353-396.

[22] Institutio oratoria, XI, ii, 23-26. Zit. n. Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 28.

[23] Francis A. Yates, Gedächtnis und Erinnern. Berlin, Akademie Verlag. 1997,4, S. 28f.

[24] Eduard Maria Oettinger, Carl Otto Reventlow, oder die Mnemonik in ihrer höchsten Ausbildung. Nebst einem Anhang, enthaltend: die Literatur der Mnemonik, Leipzig, Verlag Otto Wigand. 1845, S. 12.

[25] Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht. München, Iudicium Verlag GmbH, 1993, S. 150.

[26] Zur Vermeidung allzu langer Paraphrasierungen verweise ich zur näheren Erläuterung der Lateinische[n] Grammatica auf das entsprechende Kapitel in Kuhns Arbeit (S. 149 ff.).

[27] Barbara Kuhn, Gedächtniskunst im Unterricht. München, Iudicium Verlag GmbH, 1993, S. 126.

[28] Ebd., S. 26.

[29] Ebd., S. 127.

[30] Richard C. Atkinson, “Mnemotechnics in Second-Language Learning”, American Psychologist, 30 (1975), S. 821-828. 


[31] Eduard Maria Oettinger, Carl Otto Reventlow, oder die Mnemonik in ihrer höchsten Ausbildung. Nebst einem Anhang, enthaltend: die Literatur der Mnemonik, Leipzig, Verlag Otto Wigand. 1845, S. 3.

[32] Eduard Maria Oettinger, Carl Otto Reventlow, oder die Mnemonik in ihrer höchsten Ausbildung. Nebst einem Anhang, enthaltend: die Literatur der Mnemonik, Leipzig, Verlag Otto Wigand. 1845, S., 4.

[33] Carl Otto Reventlow, Lehrbuch der Mnemotechnik nach einem durchaus neuen auf das Positive aller Disciplinen anwendbaren Systeme, Stuttgart, Tübingen, J. G. Gotta´scher Verlag (1843), S. 116f.

[34] Carl Otto Reventlow, Lehrbuch der Mnemotechnik nach einem durchaus neuen auf das Positive aller Disciplinen anwendbaren Systeme, Stuttgart, Tübingen, J. G. Gotta´scher Verlag (1843), S. 119.

[35] Der Begriff „keyword-method“ wurde von Atkinson erstmals für diese Methode benutzt und ist heute der geläufige Begriff in der angelsächsischen Literatur. In deutscher Sprache ist die direkte Übersetzung „Schlüsselwortmethode“ üblich.

[36] Richard C. Atkinson, “Mnemotechnics in Second-Language Learning”, American Psychologist, 30 (1975), S., 823.

[37] Horst Sperber, Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt „Deutsch als Fremdsprache“. Münche,  Iudicium Verlag, 1989.

[38] Vgl. Horst Sperber, Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb mit Schwerpunkt „Deutsch als Fremdsprache“. München,  Iudicium Verlag, 1989, S. 147.